FSK MC - Freunde Schöner Kurven Motorradclub Bremen
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Kölner Stadtanzeiger
»WOCHENEND und NÜRBURGRING«

(gefunden von Andrea Schienbein)

Schnell, schneller, schrei und schramm
Spaß im Grenzbereich: Wie Andreas, Holger und andere die Kurven der Nordschleife testen

"Zu viele Bananenbieger heute! Ich pack´ ein!" Der Herr Papa ist bedient, reicht Töchterchen Bianca an Ehefrau Birgit weiter und schiebt seine "Suzi" auf den Hänger. "Vollidioten! Die sind doch bekloppt!" knurrt es aus ihm; dann zurrt Dieter seine Suzuki mit Bändern fest, dreht sich unvermittelt um und zürnt mit schon fast traurigem Gesicht: "Wenn die Schranke aufgeht, dann ist hier Krieg!" Krieg der Bananenbieger.
Wieder mal Wochenende in der Eifel, der frühere Formel-1-Kurs des Nürburgrings ist für Hinz und Kunz geöffnet, und Bleifuß und Samtpfote geben sich der ultimativen Herausforderung hin: "Pack´ den Ring!" Nur Dieter packt ein. Sonntagsfahrer und "Hirnis" haben ihm den Spaß auf der Nordschleife verdorben: "Manche rasen wie die Bekloppten, quetschen dich von der Ideallinie, und die Papis gurken rum, als wären sie auf Kaffeefahrt."
Gerüstbauer Dieter hat also die Nase gestrichen voll; doch Dieter kommt wieder. Dieter hat schließlich eine Jahreskarte; die kostet 1095 Mark.
Die "grüne Hölle", in der der österreichische Formel-1-Pilot Niki Lauda 1976 Haut, Haare und beinahe sein Leben ließ, spaltet die gesammelte Gasgeberschar in solche mit und solche ohne Hirn; sie macht Männer zu Helden oder zu Versagern - von Letzteren mehr.
"Bißchen Gas geben"
Keine Frage: Andreas Cotta und Holger Buff zieht es mehr zu den Helden. Zusammen mit ihren beiden Freundinnen und sechs anderen Pärchen sind sie von Bad Schwalbach gekommen, "um ein bißchen Gas zu geben". Buff fährt BMW, Cotta Ford, doch hat der 27-jährige Bürokaufmann seinen Sierra zu Hause gelassen. Seine Freundin besitzt ein MX-5, und mit dem geht es heute auf die Piste. Die Sonne scheint. Wer fährt? Klar doch, Cotta fährt. Und im Hintergrund spottet jemand: "Frau am Steuer - Ungeheuer."
Gut fünf, sechs mal im Jahr steuern die Freunde den Ring an, zahlen pro Runde 21 Mark (sechs Runden 105 Mark) und träumen davon, das 20,8 km lange Asphaltgeschlängel in zehn Minuten hinter sich zu bringen. Davon sind sie zwar noch eine kleine Ewigkeit von entfernt. Doch wenn der 28-jährige Kfz-Mechaniker "zehn Minuten" sagt, dann heißt das soviel wie: Auf dem Ring beginnt das Menschsein bei zehn Minuten. Zehn Minuten - das sind Ideallinie und Anbremspunkt in Perfektion. Und "sauschnell" sollte das Auto auch schon sein.
So schnell etwa wie das Ringtaxi, ein vierhundert PS starker BMW, der die Kundschaft für 150 Mark im Renntempo um die Ecken bringt. "Das ist schweinegeil!" Das sagt eigentlich alles; doch wenn das Herz so richtig voll ist, dann geht der Mund über. Georg Kuntner ist kaum der rasenden Droschke entstiegen, da muss er mit glänzenden Äugelchen und zugegebener Maßen weichen Knien ohne Punkt und Komma noch viel mehr loswerden: "Das ist das geilste wo ich erlebt habe der klebt in den Kurven wie Gummi das ist der absolute Hammer wie der in den Kurven quer steht!" Ein Estrichleger im siebten Himmel. Und doch immer zittert die Hand des Freundes, der auf dem Rücksitz die Fahrt mit der Videokamera festhielt: "Da geht die der Arsch auf Grundeis!"
Manchem ging es schon so. Und nicht ohne Stolz erzählen Buff und Cotta vom Grenzbereich, den sie suchten, fanden und überschritten: "Klar sind wir schon mal ausgeritten, aber angeschlagen sind wir nicht!" Glück gehabt, Knochen heil und Auto auch.
Motorradfahrer haben es dagegen schwerer; der "Arsch-auf-Grundeis-Moment" hat meist eine demolierte Maschine zur Folge. Und bei einigen Bikern zeugen tiefe Schrammen auf der Lederkombi von intensiver Erdverbundenheit - schnell, schneller, schrei und schramm. Hat ja gar nicht wehgetan. Darf auch nicht wehtun; wo bliebe sonst der Spaß?
Spaß - drei Menschen haben im vergangenen Jahr die PS-Jagd in der grünen Hölle mit dem Leben bezahlt, 44 wurden schwer verletzt; in 95 Fällen wurde die Polizei gerufen, und meist ging es dabei um Unfälle, bei denen Menschen zu Schaden kamen. Verbeultes Blech wird von der Polizeistatistik nicht erfasst. Die Unfallzahlen sind im vergangenen Jahr von 60 auf 95 gestiegen. Anton Barz, erster Polizeihauptkommissar in Adenau, begründet dies mit der wachsenden Beliebtheit der Nordschleife. 1999 wurden dort 186000 Runden gedreht.
Rekordhalter in allen Belangen sind die Motorradfahrer, sie allein rasten 110000 Mal über den Kurs, sie waren an 60% der registrierten Unglücke beteiligt, 32 von ihnen mussten mit schweren Verletzungen in die umliegenden Kliniken gebracht werden. Für sie haben die Sätze in der Broschüre "Pole Position" wohl eine besondere Bedeutung; denn dort heißt es: "Die 20,8 Kilometer lange Nordschleife zu meistern bedeutet, seine Fahrkünste und sich selbst unter hohen Anforderungen immer wieder neu einzuschätzen." Das fällt manchen nach kapitalem Fahrfehler äußerst schwer - wenn er die fröhliche Aufforderung "Pack den Ring" verpasst hat und seitdem sein Motorrad mit dem Rollstuhl tauschen musste. Rennfahrer sprachen früher, wenn sie die Nordschleife durchrasten, vom "Kampf mit dem Drachen" - den kann man auch verlieren.
Wer nicht verlieren will, geht anders an die Sache ran, vor allen Dingen langsamer. Wenn Mann sich mit Frau, Tochter, Sohn und Labrador im Opel Omega auf Achse macht und an der Schranke aus dem offenen Fenster dringt: "Mutti, keine Bange, ich pass´schon auf!", dann wird wohl nichts passieren. Dann kann man darauf wetten, dass der Wackeldackel nicht von der Hutablage rutscht. Und wetten kann man auch, dass der Familienausflug am "Brünnchen" zum Quell großer Freude wird, denn dort sitzen und stehen Hunderte und warten und lachen und raunen und staunen. Hier hat man einen guten Blick auf die Rennstrecke, hier lässt man es sich im Campinggestühl unter dem Sonnenschirm gutgehen, hier lässt sich prima lästern. Über den "Protz-Porsche", dessen Insassen silber behelmt sind und "mit noch nicht mal 100 Sachen um die Kurve kriechen". Tina, 24, Mondeo-Beifahrerin, kichert spöttisch: "Guck mal, der Porsche, Porsche ist das peinlich!"
Nur wer also "sauschnell" mit kreischenden Reifen sich ins "Brünnchen" stürzt, und ratternd auf den Steinrand driftet, kann sicher sein, dass die kundigen am Wegesrand respektvoll raunen - mag auch eine Frau am Steuer sitzen: "Sauber, die ist sauschnell, das Weib da". Man sieht: schnell reicht nicht, sauschnell muss es sein.
Doch ist der ärgste Raser nichts gegen den, der trödelnd mit dem Bus des Weges kommt. Sechzig fröhlig winkende Rentner hinter sich, die grüne Hölle vor sich, schlägt dem Fahrer des automobilen Schwergewichts jubelnder Applaus entgegen, als er gemächlich in die Senke einlenkt - und damit einem aufgemotzten Golf die Rundenzeit vermasselt. Schadenfreude ist die reinste Freude.
"Ja, da ist was dran", gibt Herbert zu, fischt eine Gurke aus dem Einmachglas und ist entwaffnend ehrlich: "Klar, wir kommen schon hierher, weil es hin und wieder einen zerlegt." Sagt es und steckt einen Knuff von Margit ein: "Herbert, sowas sagt man nicht." "Aber denken tut man´s doch!" meldet sich Nicole zu Wort, die am Imbissstand mit Eis und Cola handelt.
Zurück zu Start und Ziel, dort biegt gerade Wolfgang von der Strecke. Glücklich, es heil geschafft zu haben. Den Regeln entsprechend, also die Straßenverkehrsordnung befolgend, war er schön "rechts" gefahren, nicht zu schnell, wie er meinte, nicht zu langsam. Er war geschnitten worden und hatte erfahren, dass für die "Grüne Hölle" nicht nur die Autos tiefer gelegt werden, sondern dass dies auch für die StVO gilt - kurzum, er hatte fast 20 Minuten gebraucht - und damit seinen Nimbus als Vater grässlich verspielt. Sohn Christian jedenfalls verließ das Auto mit beißendem Spott: "Ich hör mal nach, ob die schon eine Vermißtenmeldung herausgegeben haben."
Wolfgang weiß jetzt, wie sich Versager fühlen. Er kann einpacken.

(aus dem Kölner Stadt-Anzeiger vom 19. Mai 2000)
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